ADHS bei Frauen: Weshalb es oft nicht erkannt wird

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ADHS-Betroffene leiden an Konzentrationsschwierigkeiten und sind oft hyperaktiv. Doch nicht immer zeigt sich die Störung gleich. Gerade bei Frauen und Mädchen äussert sich ADHS durch andere Symptome als bei Männern und Jungen.

Was ist ADHS?

ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Betroffene haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, sind hyperaktiv oder impulsiv. Die Symptome können stärker oder schwächer ausgeprägt sein, es gibt also nicht eine einzige Form von ADHS.

Ist ADHS eine Krankheit?

Wenn über ADHS gesprochen wird, fallen oft unterschiedliche Begriffe: psychische Erkrankung, neurobiologische Störung oder auch Neurodiversität. Die ICD-11, die internationale Klassifizierung von Krankheiten, bezeichnet ADHS als neurologische Entwicklungsstörung. Die Einordnung von ADHS ist jedoch umstritten – Experten sprechen auch von einer neurologischen Besonderheit.

ADHS und Neurodiversität

Neurodiversität ist ein neueres Konzept, das die Natürlichkeit von neuronalen Unterschieden betont. Besonderheiten, die klassisch als psychische Störung bezeichnet werden, sehen Vertreter der Neurodiversität als natürlich aufkommende Abweichungen von der Norm. Beispiele hierfür sind Autismus und ADHS.

In der Steinzeit war ADHS möglicherweise ein evolutionärer Vorteil. Leichte Ablenkbarkeit und impulsive Reaktionen könnten für Jäger in feindlicher Umgebung entscheidend fürs Überleben gewesen sein.

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Sind mehr Jungen als Mädchen betroffen?

Bei Jungen wird eine ADHS häufiger festgestellt als bei Mädchen. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass Mädchen auch tatsächlich seltener betroffen sind.Dieser Geschlechterunterschied entsteht möglicherweise dadurch, dass ADHS als eine «Jungenkrankheit» bekannt ist und die klassischen Symptome einer ADHS vermehrt bei jungen Männern zutreffen. Solche geschlechtlichen Vorurteile, auch Gender Health Gap genannt, führen dazu, dass ADHS bei jungen Frauen oft nicht in Betracht gezogen wird. Bereits die Zahl der Untersuchungen beziehungsweise Verdachtsfälle ist bei Mädchen deutlich geringer.

Wie unterscheidet sich ADHS zwischen Jungen und Mädchen?

Die Ausprägung von ADHS ist sehr individuell. Trotzdem konnte die Medizin gewisse Unterschiede in der Ausprägung von ADHS zwischen Mädchen und Jungen erkennen.

  • Jungen mit einer ADHS fehlt oft eine gewisse Impulskontrolle und sie verhalten sich mehrheitlich hyperaktiv. Sie leiden unter motorischer Unruhe, haben einen starken Bewegungsdrang und es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren. Sie sind eher laut und fallen auf.
  • Betroffene Mädchen hingegen leiden eher unter Unaufmerksamkeit und innerer Unruhe. Sie bemühen sich aber, nicht aufzufallen, weshalb sie oft eine passive Haltung zeigen. Dies ist mit ein Grund, warum ADHS bei Mädchen oft nicht entdeckt wird.

Was ist der Unterschied zu ADS?

ADHS wird in 3 verschiedene «Subtypen» aufgeteilt. Unaufmerksame ADHS wird vor allem durch Konzentrationsschwierigkeiten und leichte Ablenkbarkeit charakterisiert. Teilweise spricht man in diesem Fall von ADS oder Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität. Bei hyperaktiv-impulsiven ADHS sind Hyperaktivität und Impulsivität die Hauptsymptome. Zuletzt gibt es noch den kombinierten Typ, bei dem sowohl Hyperaktivität als auch Konzentrationsschwierigkeiten verstärkt auftreten.

ADHS-Symptome bei Mädchen und erwachsenen Frauen

Da ADHS bei Mädchen oft nicht in Betracht gezogen wird, werden viele betroffene Frauen gar nicht oder erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Auch im Erwachsenenalter äussert sich ADHS bei Frauen anders als bei Männern. Zudem verändert sich die Symptomatik auch mit fortschreitendem Alter aufgrund hormoneller Veränderungen.

  • Unaufmerksamkeit: ADHS-betroffene Mädchen und Frauen versinken vermehrt in Tagträumerei und ständigem Gedankenkreisen. Dadurch leiden sie unter fehlender Aufmerksamkeit.
  • Hyperaktivität: Betroffene Frauen leiden seltener an Hyperaktivität als Männer mit ADHS. Die Hyperaktivität schlägt zudem eher nach innen aus. Frauen mit ADHS haben oft Mühe, ihre Gedanken zu sortieren. Besonders wenn mehrere Aufgaben gleichzeitig anstehen, fällt ihnen das Koordinieren schwer.
  • Emotionsregulation: Frauen mit einer ADHS haben im Vergleich zu betroffenen Männern oft mehr Mühe, ihre Emotionen zu regulieren. Experten sprechen dabei von emotionaler Dysregulation. Diese Schwierigkeiten können sich durch Hypersensibilität oder leichte Reizbarkeit zeigen.
  • Hormonelle Schwankungen: Hormonelle Veränderungen durch den Menstruationszyklus oder auch die Wechseljahre verstärken die ADHS-Symptome bei Frauen. Studien bestätigen zudem, dass Frauen mit ADHS vermehrt unter prämenstruellen Stimmungsschwankungen und postpartalen Depressionen leiden.

Früherkennung wichtig

Um bei Kindern den Verlauf einer ADHS positiv beeinflussen zu können, ist eine Früherkennung wichtig. Wenn ADHS nicht erkannt wird, fällt es dem Kind schwer, sich in seinem Umfeld einzugliedern. Dies kann sich bis ins Erwachsenenalter ziehen und zu Problemen in der Schule, Ausbildung, im Beruf oder auch im Sozialleben führen.

Mit zunehmendem Alter können die ADHS-Symptome schwächer werden, bei mehr als 50% der Betroffenen bleibt aber ADHS auch im Erwachsenenalter bestehen.

Wie kann die Diagnose bei Mädchen verbessert werden?

Um die Früherkennung von ADHS zu verbessern, ist es zunächst wichtig, auf die unterschiedlichen Symptome bei Jungen und Mädchen aufmerksam zu machen. Hier setzt die geschlechtsspezifische Forschung, auch als Gender Medicine bekannt, an. Wenn die Symptome bei Frauen und Mädchen besser bekannt sind, können Screening-Verfahren und Tests darauf ausgerichtet werden. Dies wiederum erhöht die Chance auf richtige Diagnosen und ADHS-Fälle können früher erkannt werden.

Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter

Leider erhalten viele ADHS-Betroffene, besonders Frauen, ihre Diagnose erst als Erwachsene. Die Betroffenen haben oft ihr ganzes Leben lang mit Problemen zu kämpfen, deren Ursachen sie nie genau zuordnen konnten. Dies kann die psychische Gesundheit stark beeinträchtigen. Für betroffene Erwachsene ist die Diagnose ADHS daher oft eine grosse Erleichterung, weil sie Klarheit schafft. Zudem kann eine Therapie den Alltag erleichtern.

Begleiterkrankungen bei ADHS

ADHS tritt häufig zusammen mit anderen neurologischen und psychischen Erkrankungen auf, sogenannte Begleiterkrankung. Teilweise sind diese Begleiterkrankungen die Folge einer unbehandelten ADHS. Folgende Krankheiten und Störungen können unter anderem auftreten:

Behandlung von ADHS

ADHS ist nicht heilbar, denn die Betroffenen sind nicht krank. Das Gehirn von Menschen mit ADHS funktioniert einfach anders als das von Menschen ohne ADHS und in der aktuellen Gesellschaft kann dies zu Herausforderungen führen. Deshalb zielt die Behandlung von ADHS vor allem darauf ab, die Symptome zu regulieren.

Diese Therapien können ADHS lindern

  • Behandlung mit Medikamenten
    In der medikamentösen Therapie von ADHS werden sogenannte Psychostimulanzien eingesetzt, wie zum Beispiel Ritalin oder Concerta. Mit Medikamenten wird vor allem behandelt, wenn andere Therapien allein nicht erfolgreich sind oder bei grosser Einschränkung der Betroffenen durch die ADHS-Symptome.
  • Verhaltenstherapien
    Häufig wird das sogenannte Verhaltensmanagement in Kombination mit Elterntraining zur Behandlung von ADHS angewendet. Gruppentherapien und die kognitive Verhaltenstherapie sind zudem für die ADHS-Behandlung von Erwachsenen mit Folgeerkrankungen, wie Depression, sinnvoll.
  • Gesunde Ernährung
    Studien zeigen, dass eine gesunde Ernährung bei Kindern das Risiko an ADHS zu erkranken, senkt und Betroffene durch sie besser in der Lage sind, mit ihren Symptomen umzugehen.
  • Sportliche Aktivität
    Sport hilft Betroffenen nicht nur ihre Symptome besser zu kontrollieren, sondern vermittelt auch Selbstwert durch Erfolgserlebnisse und erleichtert den sozialen Umgang. Experten empfehlen möglichst vielfältige sportliche Aktivitäten in der Natur.

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Vererbung und Ursachen von ADHS

ADHS ist das Resultat gestörter Botenstoffe (Neurotransmitter) in unserem Gehirn. Dies ist oft genetisch bedingt. ADHS kann folglich vererbt werden. Neben den Genen spielen aber auch Umwelteinflüsse eine Rolle. Frühgeburt, Geburtskomplikationen oder Drogen- und Nikotinkonsum in der Schwangerschaft erhöhen das Risiko, dass ein Kind ADHS entwickelt.

Mangelnde Aufmerksamkeit

Hyperaktivität ist bei Erwachsenen oft weniger ausgeprägt, dafür haben sie Konzentrationsschwierigkeiten und sind impulsiv. Auch hier können Geschlechterunterschiede bestehen, wonach Frauen eher nach innen, Männer nach aussen gerichtete Symptome zeigen. Wie bei Kindern erschwert dies die Erkennung bei Frauen.
 

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