Umgang mit Autisten: Hilfe und Tipps für Angehörige

Eine Frau spielt mit ihrer Tochter am Fenster und schauen durch eine Lupe die Sternen-Girlande an.

Menschen mit Autismus haben eine andere Wahrnehmung der Welt als neurotypische Personen und reagieren anders auf ihre Umwelt. Die untypischen Verhaltensweisen stossen oftmals auf Unverständnis. Wir geben hilfreiche Tipps für Angehörige und Bekannte und zeigen, wie sie Autistinnen und Autisten im Alltag unterstützen können.

Hilfreiche Tipps im Umgang mit Autisten und Autistinnen

Was für neurotypische Menschen oft als Kleinigkeit abgetan wird oder unbemerkt bleibt, kann bei einer autistischen Person zu einer totalen Reizüberflutung führen und starke Reaktionen hervorrufen. Ihre Verhaltensweisen werden von der Umwelt oftmals als «anders» eingestuft und als untypisch wahrgenommen. Missverständnisse sind vorprogrammiert. Mit angemessenen Reaktionen und Handlungen können Sie helfen, ein geschütztes und verständnisvolles Umfeld für autistische Kinder und autistische Erwachsene zu kreieren.

Emotionale Ausbrüche aufgrund von Reizüberflutung

Aufgrund der anderen Wahrnehmung der Welt ist es möglich, dass eine autistische Person auf visuelle, auditive oder taktile Reize überempfindlich oder unterempfindlich reagiert. Dies kann je nach Situation zu emotionalen Ausbrüchen und (manchmal gewaltsamen) Wutausbrüchen führen, auch Meltdown genannt. Wie kann man Autisten beruhigen und in solchen Situationen unterstützend reagieren?

Tipp: Bleiben Sie geduldig und verständnisvoll

Bewahren Sie Ruhe und ein sicheres, aber nicht bedrängendes Auftreten. Halten Sie Abstand, schreien Sie die autistische Person nicht an und halten Sie sie nicht fest. Falls die Person nicht antworten kann, geben Sie ihr Zeit. Vermeiden Sie unnötige Berührungen. Im Nachhinein ist es hilfreich herauszufinden, was der Auslöser für den emotionalen Ausbruch war, diesen zu notieren und zukünftig möglichst zu vermeiden.

Schwierigkeiten in der Kommunikation

Autistinnen und Autisten haben oftmals Mühe in der Kommunikation und in der sozialen Interaktion mit anderen Personen.

  • Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung können Unsicherheiten haben, die Ansichten anderer Menschen zu verstehen oder zu erkennen. Auch fällt es vielen nicht leicht, Mimik und Gestik zu deuten oder Blickkontakt zu halten.
  • Autistische Menschen nehmen das Gesprochene oft wortwörtlich wahr und können ironische Bemerkungen und Metaphern nicht einordnen.
  • Für Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung ist es manchmal schwierig, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse konkret auszudrücken.
  • Ebenso kann es anstrengend sein, dem üblichen Sprechtempo zu folgen, was die Kommunikation erheblich erschwert.
  • Autistische Menschen haben einen anderen Umgang mit Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Gestik.

Tipp: Drücken Sie sich klar und präzise aus

  • Formulieren Sie wortwörtlich, was Sie sagen möchten.
  • Verwenden Sie keine unnötig komplizierten Fragestellungen, sondern verwenden Sie kurz formulierte Fragen ohne Witze und Ironie.
  • Versuchen Sie sachlich zu erklären, was Sie mitteilen möchten und vermeiden Sie unnötige Umschreibungen, Metaphern und Wortspielereien.
  • Versuchen Sie nicht, etwas durch Ihren Gesichtsausdruck, Ihre Gestik oder Körperhaltung zu verdeutlichen.

Wiederholte, stereotype Verhaltensweisen

Ein weit verbreitetes Symptom ist das «Stimming» (Self-stimulating behavior). Um sich selbst zu beruhigen, werden wiederholte Handlungen wie Wippen, Hände flattern oder Zählen ausgeführt.

Festhalten an Routinen und Ritualen

Für autistische Personen kann es sehr wertvoll sein, an bestimmten Routinen und Ritualen festzuhalten, da oftmals eine gleichzeitige Schwierigkeit besteht, Veränderungen in der Umwelt vorauszusehen und zu akzeptieren.

Tipp: Vermeiden Sie kurzfris­tige Planänderungen, Sponta­nität & Überraschungen

Beschreiben Sie genau, was Sie planen und vorhaben. Melden Sie sich zu Besuchen mindestens einen Tag vorher an. Erklären und halten Sie Geplantes genau ein.

Konzentration auf be­stimmte Interessengebiete

Ist das Interesse geweckt, können autistische Personen in den sogenannten Hyperfokus verfallen, d.h. sie sind hochkonzentriert und begeistert von einer Sache oder Tätigkeit und werden nur ungern gestört.

Tipp: Versuchen Sie, den Hyperfokus möglichst nicht zu stören und zu unterbrechen. Schaffen Sie zudem ein Umfeld, in dem diesen Spezialinteressen nachgegangen werden kann.

Pädagogischer Umgang mit autistischen Kindern

Die ersten Jahre der frühkindlichen Entwicklung sind sehr prägend. Ein besonderes Augenmerk sollte daher vor allem auf den frühkindlichen Umgang mit autistischen Kindern gelegt werden. Autistischen Kindern in frühen Entwicklungsstufen kann es besonders schwer fallen, die Ereignisse und Reize ihrer Umgebung zu verstehen, einzuordnen und Bedürfnisse zu kommunizieren

Soziale Kompetenzen lernen

Betroffene Kinder können durch die Interaktion mit Erziehenden und anderen Kindern lernen, wie sie mit sozialen Situationen umgehen und wie sie sich in einer Gruppe verhalten können.

Bildungseinrichtungen für Kinder im autistischen Spektrum

Bei der Auswahl der frühkindlichen und schulischen Einrichtungen sollten Sie sich im Vorhinein informieren, inwiefern deren Angestellte im Umgang mit autistischen Kindern und Jugendlichen sensibilisiert sind. Zum Beispiel kann bereits der Einsatz von alternativen Kommunikationsmethoden erheblichen Mehrwert bieten.

Was sind alternative Kommunikations­methoden? Es sind Bildkarten, Diagramme oder Ähnliches und ermöglichen betroffenen Kinder ihre Bedürfnisse nonverbal auszudrücken.

Tipps für die Auswahl von Schulen und Kitas

Nachfolgende Anregungen können bei der Auswahl einer geeigneten Einrichtung helfen:

  1. Suchen Sie den Austausch mit Autismus-Experten, Kinderpsychologen und Therapeuten, um vorab wertvolle Einblicke für eine optimale Betreuung zu bekommen.
  2. Prüfen Sie vorab, ob die Einrichtung über eine strukturierte und visuell ansprechende Umgebung verfügt und ob geeignete Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sind.
  3. Informieren Sie sich, inwiefern andere Eltern und Kinder sensibilisiert werden. Ein Beispiel hierfür sind spielerische Erklärungen und Kinderbücher, die bei der Sensibilisierung unterstützen können.

Angehörige müssen auch auf sich selber achten

Angehörige und Bekannte von Menschen in Autismus-Spekturm stehen oftmals vor vielen unbekannten Fragen und Herausforderungen. Die intensive Zeit der Diagnosestellung, der Austausch mit Behörden, Schulen, Arbeitgebenden und ärztlichem Fachpersonal kann sich als sehr herausfordernd und ressourcenintensiv gestalten. Zudem erfordert der Umgang mit autistischen Kindern (und autistischen Erwachsenen) meistens ein umfangreicheres Management, damit ein harmonisches Familienleben möglich ist.

Tipps für Angehörige von Menschen im autistischen Spektrum

Es ist enorm wichtig zu wissen, wo Sie Hilfe und Unterstützung bekommen können, um in dieser Situation nicht alleine zu sein.

  • Suchen Sie den Kontakt zu anderen betroffenen Angehörigen.
  • Betreiben Sie aktive Selbstfürsorge, kümmern Sie sich gut um Ihr eigenes geistiges und körperliches Wohlbefinden.
  • Informieren Sie sich über Autismus-Selbsthilfegruppen für Angehörige in Ihrer Nähe.
  • Nehmen Sie Kontakt auf zu Beratungsstellen, Verbänden und Fachorganisationen.
  • Zögern Sie nicht, sich selbst bei Herausforderungen, z.B. bei der Verarbeitung und Annahme der Diagnose, professionelle Begleitung zu suchen.
     

Was ist Autismus überhaupt?

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) wird als nicht sichtbare, lebenslang anhaltende, tiefgreifende Entwicklungsstörung beschrieben. Die grundlegende Ursache für Autismus und deren Symptome ist eine erschwerte Verarbeitung von Umweltreizen. Autismus hat nichts mit einer Intelligenzminderung zu tun, sondern beschreibt eine andere Wahrnehmung der Welt. Diese Wahrnehmung ist so individuell und einzigartig wie ein Fingerabdruck und genauso sind auch die Symptome und Auswirkungen. Sie können ein Leben in Selbständigkeit erlauben oder erschweren.

Unterschiedliche Formen von Autismus

Oft wird auch von einem frühkindlichen Autismus (Kanner-Syndrom), dem Asperger-Syndrom (erst nach dem 3. Lebensjahr bemerkbar) oder dem oft unerkannten, versteckten Autismus gesprochen. Die sehr unterschiedlichen Symptome und Ausprägungen erschweren die Diagnosestellung und machen diese langwierig.

Podcast mit Psychotherapeutin

Was ist Autismus genau? Wie merkt man, ob man selbst Autistisch ist? Und was taugen Online-Tests? Diese und viele andere Fragen beantwortet Psychotherapeutin und Autismus-Expertin Verena Jaggi.

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